Bier aus Forchheim in der Welt-Metropole

Bierfreunde, die den kleinen Laden „Getränkemarkt Grabsch“ an der Mariannenstraße im Bezirk Lichterfelde betreten, wähnen sich nämlich im Paradies. Die Regale sind vollgestellt mit Bierflaschen mit allerlei bunten Etiketten, in der Mitte sowie in einem angrenzenden Raum stapeln sich jede Menge Bierkästen.


Die größte Fraktion stellen dabei Brauereien aus Forchheim und der Fränkischen Schweiz. Es sind alle drei Forchheimer Brauereien vertreten. Greif mit Pils und Weizen, Neder mit seinem Festbier und Hebendanz mit seinem Bock- und Lagerbier sowie Export Hell. Zur Annafest-Zeit steht das entsprechende Festbier bereit und ist schnell ausverkauft. Und natürlich lassen sich auch Sorten aus der Fränkischen entdecken. Huppendorfer Weihnachtsbier steht genauso im Regal, wie Sorten der Brauerei Rittmayer aus Hallerndorf, von Meister aus Unterzaunsbach und Ott aus Oberleinleiter, um nur einige zu nennen.

FORCHHEIM/BERLIN - „Wer probt, der lobt“ - so lautet etwa der Leitspruch der Brauerei Hebendanz aus Forchheim. Dieser Satz ist aber nicht nur in der Kreisstadt und der angrenzenden Fränkischen Schweiz bekannt, sondern auch rund 430 Kilometer entfernt in der Hauptstadt Berlin.

„Wir führen rund 150 bayrische Biersorten, davon circa 70 aus Franken“, erzählt Leonhard Grabsch. Er selbst ist sogar ein Fan einer der drei Forchheimer Brauereien. „Ich bevorzuge besonders die Biere von Hebendanz - vor allem das Dunkel 79.“ Er mag das Röstmalz der fränkischen Biere. „Das finde ich super, und ich denke, das ist es, was viele reizt, es zu trinken. Diese Biere wirken zwar lieblicher, aber auch uriger.“


Dass die Biere aus Forchheim und der Fränkischen Schweiz im

Sortiment Einzug hielten, hat aber auch mit der Vorliebe von Leonhards Vater und Geschäftsführer Abbasali Zarebidoki zu tun, der das Geschäft vor 35 Jahren übernahm. Er baute den Kontakt nach Forchheim und in die Fränkische im Urlaub auf. Aus seiner Sicht sind es zwei Gründe, warum Kunden bei ihm gerne fränkisches Bier kaufen. „Die Qualität stimmt und die Kunden wollen kleine Brauereien unterstützen, damit sie nicht von den großen geschluckt werden.“


Den Laden in Berlin-Lichterfelde gibt es bereits seit rund 50 Jahren. Gründer war Leonhards Großvater Georg, dessen Ehefrau Margot heute noch die Besitzerin ist. Angefangen haben die beiden mit einem Tante-Emma-Laden. „Irgendwann hat mein Großvater begonnen, Bier ins Sortiment aufzunehmen. Es lief besser als gedacht“, erzählt Leonhard Grabsch.


Wie kommt das Bier der kleineren Brauereien nun nach Berlin? In den Anfangsjahren hat mein Großvater sich einen Sattelschlepper gekauft, und ist selbstständig, die ganzen Brauereien in Bayern abgefahren“, erzählt Leonhard Grabsch. Damals sei die Auswahl noch nicht so groß gewesen, wie sie es heutzutage ist.


Für die Menschen in West-Berlin war das indes etwas komplett Neues. „Sie konnten auf einmal auch zu Hause das Bier trinken, das sie aus dem Urlaub kannten.“ Nicht mehr nur das herbe Schultheiss Pilsener oder Berliner Kindl, sondern das süffige Getränk aus dem Süden. Die Biere aus Forchheim und der Fränkischen besorgen sich Abbasali Zarebidoki und Leonard Grabsch auch heute noch selbst bei den Brauereien. „Da holen wir von einer Sorte manchmal auch nur fünf Kästen ab, also kleinere Mengen, aber dafür regelmäßig.“

Kunden in Holland und England


Senior-Chef Fritz Hebendanz kann das bestätigen. Aus seiner Sicht sind es Franken in Berlin und Touristen, die bei Grabsch Bier kaufen. Hebendanz verkauft sein Bier aber nicht nur in Berlin. „Über Großhändler gibt es unsere Sorten auch in Köln·, Hamburg und Stuttgart“, sagt Fritz Hebendanz. Auch die anderen Forchheimer Brauereien haben weit entfernte Absatzmärkte.


Neder vertreibt sein Bier selbst nur bis Nürnberg. „Aber wir wissen auch, dass es Leute aus Italien und Holland gibt, die sich Bier holen, nur nicht, ob es Privatleute oder Händler sind“, sagt Braumeister Rafael Thiermeyer und erzählt noch von einem Privatmann aus Hamburg. Der heißt auch Neder und will auf das namensgleiche Bier auch im hohen· Norden nicht verzichten.


Die größte Forchheimer Brauerei – Greif - verkauft Flaschen über Zwischenhändler bis nach England und Italien. „Früher hat auch mal jemand unser Bier in Kanada vertrieben, aber das gibt es wohl nicht mehr, weil die Einfuhr meist so lange gedauert hat beim Zoll; dass das Mindesthaltbarkeitsdatum fast abgelaufen war“, erzählt Inhaber Christian Schuster.


Zurück nach Berlin: Damit das Bier auch immer schmeckt, erzählt Zarebidoki seinen Kunden gerne eine kleine Anekdote. „Wir empfehlen ihnen immer, die Flasche mit dem Etikett nach Süden zu halten, sonst könnte es sein, dass das Bier nicht mehr schmeckt.“

Zeitungsbeitrag, Frankfurter Rundschau
31. Juli 2024
Mir san hier! Edmund Stoiber will München verlassen. Keine schlechte Entscheidung, denn Berlin ist längst das bessere Bayern. Ein Streifzug durch die weiß-blaue Hauptstadt. ... OBER 200 BIERSORTEN:  Getränkemarkt Grabsch  Für die umfangreichste bayerische Bierauswahl muss man in den Süden Berlins fahren. Nach Lichterfelde nämlich. Zum  Getränkemarkt Grabsch  . Vor dem Laden steht ein Schild in altdeutscher Schrift: „Hopfen und Malz - Gott erhalt's“. Vom Balkon baumelt ein Plakat: „Hier gibt's folgende Oktoberfestbiere: Augustiner, Spaten, Hacker, Hofbräu. Paulaner, Löwenbräu.“ Neben jedem Bier ist ein Kästchen und in jedem Kästchen ein roter Haken. „Wenn ein Bier aus ist, kommt der jeweilige Haken weg. Dann können die Kunden gleich sehen, was noch da ist und was nicht“, sagt Herr Zarebidoki. Wenn das Oktoberfest vorbei ist, geht Herr Zarebidoki auf den Balkon und wendet das Plakat, denn auf der Rückseite steht: „Hier gibt es folgende Weihnachtsbiere.“ „Praktisch, nicht wahr?“, sagt Herr Zarebidoki. Das Plakat zeigt uns: Herr Zarebidoki ist ein findiger Geschäftsmann und sein Akzent verrät uns: Er ist nicht aus Bayern: „Wirrr verkauuuufen swansig Mal mehr Augustiner-Bier als andere Biere“, so klingt das lautmalerisch, denn Herr Zarebidoki kommt aus Iran. Er studierte an der Freien Universität Politische Wissenschaften, verlegte persische Bücher, arbeitet hier und da, musste aber einsehen: Es gibt sehr viele Politologen und als ausländischer Politologe hat man sowieso keine Chance. „Deshalb habe ich die Bücher stehen lassen und mir gedacht: Ich versuche es mal als ... Bierboy“. So stieg er 1984 ins Geschäft seiner Schwiegereltern ein. Die hatten sich schon früh auf bayerisches Bier spezialisiert. Ob die Schwiegereltern aus Bayern waren? Da lacht Herr Zarebidoki verhalten: „Iwo. Waren natürlich 100 Prozent Berliner." Heute liegt auf seinem Tisch die "Süddeutsche Zeitung" ("lese ich jeden Tag"), im Schrank stehen 52 Sorten Weißbier ("König der Biere") und noch 200 andere Biere, die meisten davon aus Bayern ("bestes Land der Welt"). An der Kasse gibt es Bärwurz, Marille, Enzian und Leberknödelsuppe. und das Mineralwasser kommt, wenn schon nicht aus Bayern, so doch aus Franken. Es dauerte etwas, bis Herr Zarebidoki sich biermäßig an Bayern herangetrunken hatte, aber irgendwann hat ihn die Leidenschaft gepackt und heute steht er im Laden, die Hosenträger über dem kleinen Bäuchlein und philosophiert über Bier, als entstamme er aus einem Brauereigeschlecht. Spricht von untergärigem und obergärigem Bier. Lobt die kleinen Genossenschaftsbrauerein. Zeigt auf Unertl, Andechser, Tegernseer, Wieninger und Reutberger. „Das ist des Mama-Bier. Das steht bei der Mama vom Bullen von Tölz immer auf´m Tisch.“ Und natürlich steht es auch bei Herrn Zarebidoki im Schrank.
Zeitungsartikel, Garcon
31. Juli 2024
In: Garcon – Gastronomie. Hotellerie und Lebensart, Heft 2/2011, S. 102